Verantwortung für eine gute Entwicklung unserer Stadt

Positionspapier der Marburger SPD-Fraktion

Der Widerspruch zu MoVe 35 – dem »Mobilitäts- und Verkehrskonzept 2035« – hat uns überrascht. Unabhängig davon, was die kommenden Wochen der Prüfung des Bürger*innen-Begehrens ergeben: Wir können und wollen über diesen Widerspruch nicht hinweggehen. Aus dieser Grundhaltung hat die Marburger SPD-Fraktion ihre Position in 7 Leitlinien bestimmt.

Politik in Verantwortung

1.

Auf der einen Seite sehen wir eine von vielen geteilte, grundsätzliche Zustimmung zu den Zielen »mehr Sicherheit im Verkehr«, »mehr Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum«, »mehr ÖPNV und klimafreundliche Mobilität«. Viele Bürger*innen wollen weniger Belastung durch motorisierten Verkehr. Auf der anderen Seite gibt es Befürchtungen vor einer eingeschränkten oder nicht mehr möglichen individuellen Mobilität und vor negativen Auswirkungen auf den Standort Marburg.

Wir wollen auch in Zukunft die Funktionen Marburgs als Oberzentrum stärken und den Handels- und Wirtschaftsstandort fördern. Unsere Erwartung war, dass MoVe 35 einen Ausgleich der unterschied­lichen Interessen herbeiführt und damit Perspektiven für eine gute Mobilität für alle aufzeigt, die nach und nach bis zum Jahr 2035 verwirklicht wird. Das ist offenbar nicht ausreichend gelungen. Trotzdem setzen uns weiterhin dafür ein, dass in Marburg keine Gruppe gegen eine andere ausge­spielt wird.

2.

In dieser Situation muss eine verantwortungsvolle Politik aus Sicht der SPD-Fraktion zwei Ziele verfolgen:

Die Achtung des Auftrags der Mehrheit der Wähler*innen für eine sozial-ökologische Moderne als Ergebnis der Kommunalwahl 2021 und der Wahl von Dr. Thomas Spies zum Oberbür­germeister der Universitätsstadt Marburg. Diesem Auftrag fühlen wir uns weiterhin verpflichtet.

Die Verbesserung der Lebensqualität für alle – das heißt für alle Gruppierungen und Akteure in ihren unterschiedlichen Lebenslagen und Interessen. Die großen Herausforderungen dabei sind: Sozialer Zusammenhalt, Teilhabe aller am sozialen, kulturellen und sportlichen Leben, gute wirt­schaftliche Entwicklung von Handel und Gewerbe, sozialer Klimaschutz und Anpassung an die Folgen der Klima-Veränderungen in allen Handlungsfeldern kommunaler Politik.

Mobilität der Zukunft – Prioritäten der kommenden Jahre

3.

Mobilität ist Grundlage für Teilhabe und Entwicklung. Wir wollen eine gute Mobilität der Zukunft für alle gestalten. Das bedeutet Veränderungen, die für manche als Benachteiligung, für andere als Zugewinn erlebt werden. Für die Marburger SPD-Fraktion gilt:

Marburg bleibt für alle erreichbar – ob mit oder ohne Auto. Die Erreichbarkeit Marburgs für Arbeit, Gesundheit, Einkauf, Kultur, Sport und Dienstleistungen der Ämter und Behörden mit dem Auto bleibt auch in Zukunft gewährleistet – selbstverständlich auch für Menschen mit eingeschränk­ter Mobilität.

Schaffung von Alternativen ist Pflicht! Maßnahmen zur Reduktion des motorisierten Individual­verkehrs werden durch den Ausbau von Alternativen begleitet.

Beteiligung ist selbstverständlich. Alle Maßnahmen in der Aufteilung des öffentlichen Raums, der Verkehrsführung, der Verkehrsberuhigung oder die anderweitig auf Veränderung im Mobilitätsver­halten setzen, werden von einer kontinuierlichen Bürger*innen-Beteiligung begleitet sein. Heute, Morgen und in Zukunft.

4.

Wir sind überzeugt, dass eine gute Mobilität der Zukunft für alle in unserer Stadt möglich ist. Mit hoher Priorität wollen wir erreichen:

Mehr ÖPNV für alle: Ausbau des ÖPNV mit der zugehörigen Infrastruktur (Personal, Material, Betriebshof). Im ersten Schritt werden wir die Wochenend-Verbindungen in die Außenstadtteile sowie die Anfahrten zu den zentralen Standorten verbessern (Görzhäuser Hof, Behringwerke Mar­bach, UKGM, Uni Lahnberge). Ein neuer Betriebshof mit nachhaltigen Kapazitäten für den notwen­digen Ausbau des ÖPNV wird gebaut. Der neue Nahverkehrs-Plan wird Schritt für Schritt umgesetzt.

Mehr Sicherheit für die schwächsten Verkehrs-Teilnehmer*innen: Bessere Schulwege-Sicher­heit und Entspannung in Situation in der Leopold-Lucas-Straße sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Sichtbarkeit von Fußgänger*Innen – insbesondere Kinder – und Radfahrer*innen an unübersicht­lichen Stellen im Straßenraum.

Mehr Umstieg auf den Umweltverbund: Ausbau von Radstationen am Hauptbahnhof und Süd­bahnhof für die Erleichterung des Umstiegs auf die Bahn für Menschen aus dem Stadtgebiet. Mehr sichere Abstellplätze für Fahrräder. Verwirklichung von Fahrrad-Abstellplätzen am Parkhaus Pilgrimstein.
Der Haltepunkt »Marburg-Mitte« und ein Mobilitätsknoten am Parkplatz der ehemaligen Universi­tätsbibliothek stehen auf der Liste unserer Forderungen an Land, Bund und Deutsche Bahn weiterhin ganz oben. Wir lassen nicht locker, weil wir wissen: dieses Projekt muss heute gefordert werden, damit es übermorgen endlich Wirklichkeit wird.

Mehr Attraktivität und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum: Nutzung von Möglichkeiten der Verschattung (Bäume im öffentlichen Raum für die Verbesserung des Mikroklimas, ggf. auch mobile Sonnensegel) sowie der Entsiegelung (Durchlässigkeit bei Niederschlag für die Zufuhr zum Grundwasser).

Errichtung von Quartiers-Parkhäusern im Nordviertel und Südviertel zur Schaffung eines alternativen Parkraum-Angebots für Anwohner*innen mit dem Ziel, die Quartiere von Dauer-Parker*innen zu entlasten und damit die notwendigen Flächen für Kurzzeit-Parken und für andere Nutzungen zu schaffen.

Neuer Dialog

5.

Dem Versuch einer Spaltung unserer Stadtgesellschaft müssen wir entgegenwirken. Deshalb wollen wir einen neuen Dialog mit allen Akteuren und Gruppen unserer Stadtgesellschaft. Wir leben in einer Zeit von Umbrüchen und Unsicherheiten. Unser Ziel ist, den Zusammenhalt zu bewah­ren, der Marburg über viele Jahre ausgezeichnet hat – trotz bestehender Kontroversen in Einzelf­ragen.

6.

Wir sehen mit Sorge, dass die öffentliche Diskussion um Zukunftsfragen von einer zunehmen­den Polarisierung und Entfremdung von demokratischen Prozessen begleitet ist. Das berührt sowohl das Engagement vieler ehrenamtlich engagierten Menschen in der Kommunalpolitik als auch der gewählten Vertreter*innen. Dem müssen wir uns entschieden entgegenstellen und unsere Instrumente von Mitwirkung und Beteiligung weiterentwickeln.

7.

Die Marburger SPD-Fraktion steht auch in Zukunft für die Wahrnehmung der sozialen, wirt­schaftlichen und ökologischen Verantwortung mit dem Ziel, eine gute Zukunft in einer sozial-ökologischen Moderne zu gestalten. Wir sind überzeugt, dass mit der Feststellung des Klima-Not­stands (2019) und dem von nahezu allen Fraktionen beschlossenen Klima-Aktionsplan (2020) ein Weg beschritten wurde, der auf die Herausforderungen unserer Zeit angemessen und verantwor­tungsvoll reagiert und zugleich große Chancen für eine positive Entwicklung für die gesamte Stadt­gesellschaft bietet. Wir laden ein, diesen Prozess für Marburg gemeinsam zu gestalten.

[Einstimmig von der Marburger SPD-Fraktion am 2. Oktober 2023 beschlossen]

 

Verantwortung für eine gute Entwicklung unserer Stadt – Kurzfassung

Unsere Haltung:

  1. Wir wollen den Auftrag für eine sozial-ökologische Moderne in Marburg fortsetzen.
  2. Die Mobilität der Zukunft muss Vorteile in der Lebensqualität für alle mit sich bringen.
  3. Wir sind und bleiben im Dialog mit allen Akteuren und möglichst vielen Menschen. Wir werden dem Versuch einer Spaltung unserer Stadtgesellschaft mit allen Mitteln entgegen­wirken.

 

Unsere Grundsätze:

  1. Marburg bleibt für alle erreichbar – ob mit oder ohne Auto.
  2. Die Schaffung von Alternativen für den Umstieg auf den Umweltverbund ist Pflicht.
  3. Die Beteiligung der Bürger*innen ist und bleibt selbstverständlich.

 

Unsere Maßnahmen mit hoher Priorität:

  1. Mehr ÖPNV für alle:
  • Bessere Anbindung der Außenstadtteile am Wochenende
  • Bessere Anbindung der großen Standorte, insbesondere Görzhäuser Hof
  • Schaffung der notwendigen Infrastruktur für mehr ÖPNV (Personal, Material, Betriebshof)
  1. Mehr Sicherheit für die schwächsten Verkehrs-Teilnehmer*innen:
  • Verbesserung der Schulwege-Sicherheit für Kinder
  • Mehr Sichtbarkeit für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen an unübersichtlichen Stellen
  1. Mehr Umstieg auf den Umweltverbund:
  • Radstationen am Hauptbahnhof und am Südbahnhof
  • Mehr hochwertige Abstellplätze für Fahrräder
  • Fahrrad-Parkhaus am Pilgrimstein
  • Ausbau und Anlage von Radwegen
  • Heute für Übermorgen: Verkehrsknoten Marburg-Mitte im Umweltverbund (Parkplatz alte UB, Haltepunkt Marburg-Mitte, ÖPNV-Umsteigeplatz, Angebote für Fahrräder & Co.)
  1. Mehr Attraktivität und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum:
  • Mehr Bäume und Beschattung für besseres Mikroklima
  • Entsiegelung vom Flächen – Schaffung von Grünflächen
  1. Quartiers-Parkhäuser im Nordviertel und im Südviertel:
  • Alternative zum Parken im Straßenraum
  • Entlastung des Straßenraums vom Dauer-Parken und dadurch Freiflächen für Fußgänger*innen
  • Mehr Kurzzeit-Parkmöglichkeiten

Einstimmig von der Marburger SPD-Fraktion am 2. Oktober 2023 beschlossen.