Doppelhaushalt: Entmachtung des Parlaments oder Instrument zur Planungssicherheit?

Marburg wird für die Jahre 2015 und 2016 einen Doppelhaushalt verabschieden. Das ist das Ergebnis der Abstimmung am Freitag in der Stadtverordnetenversammlung. Beim Doppelhaushalt gibt es kein eindeutiges Ja oder Nein. Als unser Oberbürgermeister die Überlegung, einen Haushalt für 2015 und 2016 einzubringen, vor einigen Wochen in interner Runde und dann auch in der Koalition vorstellte und wir darüber diskutierten, war klar, dass die Opposition genau die Gegenargumente bringen wird, die nun auch die Debatte und die Berichterstattung bestimmt haben: Die Entscheidung über den Haushalt ist das vornehmste Recht des Parlaments, denn erst der Haushalt ermächtigt den Magistrat zu handeln. Und ein Nachtragshaushalt ist immer nur die zweitbeste Möglichkeit, die Politik in der Stadt – das, was man für die Menschen tun will – mit entsprechenden finanziellen Mitteln auszustatten. Hinzu kommt allerdings der Vorwurf, wir in den Koalitionsfraktionen müssten uns selbst disziplinieren, um nicht vor der nächsten Kommunalwahl »Geschenke« zu verteilen, um so die Zustimmung der Wählerinnen und Wähler zu erheischen. Weil der Ausgleich des Haushalts, also der Einklang von laufenden Einnahmen und Ausgaben jenseits der einmaligen Investitionen, auf absehbare Zeit schwieriger wird, wolle der Oberbürgermeister und Kämmerer jetzt schon »den Deckel zumachen.« Die Opposition hat solcherlei natürlich nicht nötig…

In der SPD-Fraktion diskutieren wir schon seit Längerem die Haushaltsentwicklung. Schon vor der Idee des Doppelhaushalts haben wir uns vorgenommen, einzelne Bereiche kritisch unter die Lupe zu nehmen. Denn es stimmt ja: Die jährliche Steigerung der Ausgaben für Kindergärten und Kitas, für die Stadtreinigung, für die Zuschüsse für Sport, Schwimmbad, Kultur und vieles mehr ist höher als die Steigerung der Einnahmen, die wir in den letzten Jahren verbuchen durften. Doch: weil wir die Haushaltsentwicklung der letzten Jahre im Blick haben, braucht uns kein Kämmerer zu »disziplinieren« und keine CDU-Finanzexperten einen verzerrenden Spiegel vorhalten. Ich habe als Fraktionsvorsitzender bereits in der letzten Haushaltsdebatte deutlich gemacht, wie ich den Weg für die kommenden Jahre sehe, gerade auch angesichts derzeit hoher Investitionen in Gebäude, Straßen und Schulen oder für die Förderung sozial verträglicher Mieten bei Neu- und Bestandsbauten. Der Haushalt bildet politische, inhaltliche Zielsetzungen ab. Deshalb ist eine martialische Rhetorik vom »Sparen« oder von »Einschnitten« nicht hilfreich. Das jedoch muss auch die Opposition erst noch begreifen (abgesehen von der Marburger Linken, die ja mit einer Erhöhung der Gewerbesteuer Jahr für Jahr das haushalts- und sozialpolitische Nirvana entwirft). Denn wer sich die Anträge von CDU & Co. im letzten Jahr oder auch nur die Wünsche und Äußerungen in der Haushaltsdebatte vom Dezember 2013 in Erinnerung ruft, konnte schnell die Euros zusammenzählen, die an zusätzlichen Ausgaben gefordert wurden. Es waren Zahlen mit etlichen Nullen vor dem Komma.

Das habe ich der CDU in der Debatte damals wie heute auch vorgehalten. Und es ist erfreulich, dass die anderen Fraktionen – wie gesagt, die Linke ausgenommen –, in den gegenwärtigen Diskussionen auch schon vorsichtiger geworden sind. Die Ausweitung Öffnungszeiten im Hallenbad Wehrda, wie derzeit lautstark von den Bürgerinnen und Bürgern im Stadtteil gefordert, soll erst einmal in seinen Konsequenzen für die Mehrkosten geprüft werden. Noch vor einem Jahr klang das ganz anders, da ist man noch leicht auf die Forderung nach zusätzlichen Buslinien, Erweiterung des Busverkehrs in den Abendstunden, Neubau von Turnhallen und und und aufgesprungen. Mir scheint, die Opposition – wie gesagt, die Linke ausgenommen – bewegt sich auf einen haushaltspolitischen Realismus zu, der für die rot-grüne Koalition schon handlungsleitend ist.
Steffen Rink,
Fraktionsvorsitzender