Allnatalweg

Ein Vorschlag zur westlichen Umfahrung

Marburgs Pharmastandort Görzhäuser Hof und Michelbach Nord wird in den kommenden Jahren weiter deutlich wachsen. Die wirtschaftliche Dynamik ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die gesamte Stadt, den Landkreis und die gesamte Region. Man denke nur an die weiter steigende Zahl von Arbeitsplätzen und an wachsende Gewerbesteuereinnahmen. Das Bevölkerungswachstum in Marburg wird ebenso anhalten. Daher muss die Infrastruktur mit Schulen, Kindergärten, Nahversorgung und Wohnraum angepasst werden.

Hohe Belastung in Nordstadt, Ketzerbach und Marbach

Gleichzeitig verlangt diese Entwicklung eine Verbesserung der bisherigen Verkehrsanbindungen – und zwar für tausende Arbeitnehmer, die als Pendler unterwegs sind, aber auch für den Gütertransport per LKW. Schon seit Jahren ist die Anbindung durch die Nordstadt, Ketzerbach und Marbach für alle Verkehrsteilnehmer und insbesondere die Anwohner eine kaum noch zumutbare Belastung. Auch die geplante neue Wohnbebauung im Marburger Westen will mitbedacht sein.

Wir alle sind in irgendeiner Weise von hohem Verkehrsaufkommen mit allen seinen lästigen und schädlichen Begleiterscheinungen wie Stau, Lärm oder Gestank genervt und mehr der weniger auch beeinträchtigt. Gleichzeitig sind wir aber auch mehr denn je auf Mobilität angewiesen.

Von der Politik erwartet man hier zu Recht vorausschauende Ideen und dann auch konkrete Lösungsvorschläge.

Die SPD-Fraktion hat daher zusammen mit der Marburger SPD kürzlich ihren Vorschlag an die Öffentlichkeit gebracht, eine westliche Umfahrung für Marburg zu prüfen, um sowohl Personen- als auch Güterverkehre insbesondere zum Pharmastandort insgesamt verträglicher abwickeln zu können. Es handelt sich dabei um eine Verbindung über die B 255 bei Niederweimar, L 3387 (Allnatal bei Haddamshausen) und K 71 und K 78 (bei Elnhausen) Richtung B 62 nach Lahntal.

Möglichst kleine Eingriffe und kurze Planungszeit

Wir wollen definitiv keine große Lösung, keine sogenannte Westtangente. Wir wollen keine neue Straße über 20 km bauen, sondern mit möglichst wenigen und kurzen Ortsumfahrungen für Haddamshausen, Hermershausen, Elnhausen und Dagobertshausen eine Verbesserung erreichen. Dabei sollen die bestehenden Straßen in großen Teilen genutzt werden, so dass Flächenverbrauch und Eingriffe in die Natur in der Verhältnismäßigkeit möglichst klein gehalten werden. Dadurch werden zusätzlich auch die Planungszeiten kürzer und die Kosten geringer.

Eines ist uns klar: Straßenbau allein wird die Marburger Verkehrsprobleme nicht lösen. Entscheidend ist gleichzeitig ein sinnvoller Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und des Radverkehrs. Nur in diesem Zusammenspiel wird man künftig Verkehrsprobleme lösen können.

Unser Vorschlag zur westlichen Umfahrung Marburgs hat sehr schnell zu zahlreichen, oft auch kritischen Reaktionen geführt. Das ist gut. Sinn dieses Vorstoßes ist auch, die Debatte inhaltlich und sachlich zu beginnen. Nur wenn eine Idee vorgelegt wird, kann auch darüber diskutiert werden.

Nicht auf Kosten der Außenstadtteile

Eines darf allerdings nicht passieren: Es darf nicht sein, dass unterschiedliche Interessen – Innenstadt gegen Außenstadtteile – gegeneinander ausgespielt werden. Egoismen bringen uns nie weiter. Verkehrsprobleme der Innenstadt ausschließlich auf Kosten der Menschen in den Außenstadtteilen zu lösen, ist ebenso nicht weiterführend. Die Gesamtlage unserer Stadt ist zu berücksichtigen. Vor- und Nachteile sind ruhig und sachlich abzuwägen. Befürchtungen der Ortschaften wegen eines Mehr an Verkehr wurden schon geäußert. Aber Ortsumgehungen brächten etwa auch Vorteile für die engen Ortsdurchfahrten – diesbezüglich gab es auch schon Beschwerden. Umgekehrt fahren auch die Bewohner der westlichen Stadtteile mit ihren PKWs in die Innenstadt und tragen so zum ansteigenden Verkehr bei. Hier merkt man schnell, dass nicht eindimensional argumentiert werden kann.

Alles wird genau geprüft

Wir sind ganz am Anfang eines Prozesses. Nichts ist entschieden, einen genauen und fachlich geprüften Trassenverlauf gibt es noch nicht. Dies würde im Laufe der anstehenden Aufstellung des Regionalplans Mittelhessen geschehen. Das Verfahren ist aufwändig und macht viele gesetzlich festgelegte Prüfungen erforderlich, die das Regierungspräsidium vornehmen muss. Darin ist auch ein Beteiligungsverfahren vorgeschrieben. Der Termin dafür steht noch nicht fest, der Regionalplan soll 2020 verabschiedet werden. Kommt der „Allnatalweg“ 2020 in den Regionalplan, ist die Option auf diesen Baustein der Entwicklung möglich. Eine Realisierung würde noch viele weitere Jahre benötigen. Uns ist aber wichtig, bereits heute den Dialog über die Entwicklung im Marburger Westen zu führen. Sachlich, fair, konstruktiv.

 

Dr. Fabio Longo
umwelt-, energie- und verkehrspolitischer Sprecher