Haushalt 2015/2016

 

Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Steffen Rink

Heute stand in der Zeitung der Hinweis, dass wir den Doppelhaushalt 2015 / 2016 verabschieden. Das war ergänzt um die Formulierung, dass es dabei „traditionell“ über die „Generalabrechnung der Opposition mit der Regierung“ geht. Normalweise wird diese Generaldebatte im Bundestag geführt, und zwar dann, wenn es um den Einzelplan der Bundeskanzlerin geht. Da bin ich mal gespannt, wie das hier heute anhand der Haushaltspositionen des Oberbürgermeisters erfolgt.

Doch unabhängig davon: Das ist heute nicht unsere Aufgabe.

Es geht um die Beschlussfassung darüber, über die Ermächtigung von uns, dem Stadtparlament, von jedem einzelnen Stadtverordneten, an den Magistrat und die Stadtverwaltung, für die Menschen in der Stadt zu handeln, Dinge tun zu können oder auch lassen zu müssen.

Leider, und das möchte ich am Anfang doch loswerden, kann man den Eindruck gewinnen, dass dabei nicht wertgeschätzt wird, auf welchem Fundament wir stehen, welche Standards wir haben, welche Möglichkeiten wir den Menschen in der Stadt eröffnen – weil vieles, was erreicht worden ist, als Selbstverständlichkeit genommen wird, ohne zu sehen, dass das, was sich ja auch im Haushaltsplan entsprechend abbildet, immer wieder neu und mit viel Anstrengung erarbeitet werden muss.

Das sind aber keine Selbstverständlichkeiten, sondern das sind in der Tat politische Entscheidungen, die wir hier im Parlament treffen. Darüber diskutieren wir, weil es Ihnen, der Opposition, wie uns, der rot-grünen Koalition, der SPD in der Koalition, um die Menschen in dieser Stadt geht.

Und das wird dann sehr schnell sehr grundsätzlich, und das muss es auch. Denn es geht darum, ob man Ideen und Vorstellungen hat, die die Stadt nach vorne bringen und entwickeln, oder darum, ob man stehen bleiben will und das dann unter dem Credo, „es fehle der Wille zum Sparen“, als politische Klugheit verkaufen möchte. Ich sage Ihnen: Die Bürgerinnen und Bürger verstehen sehr gut, wer da auf welcher Seite steht. Ob man Parkplätze und Sicherheitsdienste in den Mittelpunkt stellt, ob man mit Steuerphantasien meint, die Ungerechtigkeit der Welt in Marburg ausgleichen zu können, oder ob man auf der Basis einer realitätsnahen Bewertung dessen, was man verantworten kann, alle Möglichkeiten mobilisiert, die die Stadt nach vorne bringen und die dafür sorgt, dass das, was Marburg so einzigartig macht, sich weiter entwickelt.

Ich will das gerne an drei Beispielen deutlich machen, die sowohl das „Selbstverständliche“ als auch unsere sozialdemokratische Perspektive klar machen:

Seit Jahren gelingt es uns, bedeutende Sportereignisse nach Marburg zu holen. Thorpe Cup, Special Olympics – das ist nicht selbstverständlich, sondern das ist das Ergebnis aller Anstrengungen, hervorragende Sportstätten zur Verfügung zu haben. Da geht es auch nicht darum, dass sich Stadtobere mit diesen Ereignissen schmücken können, sondern da geht es um die Möglichkeit, dass die Menschen in der Stadt teilhaben können an Außergewöhnlichem, dass sie Spitzensport hautnah erleben können.

Wir haben die Kletterhalle ermöglicht – ein Erfolgsbeispiel unserer Sportpolitik. Wir geben über 400.000 Euro in die Erhaltung der Sportstätten, fast eine halbeMillionen Euro weitere Zuschüsse für die Förderung des Sports und noch mal eine halbe Million Euro an den DBM, damit auf Kosten der Stadt die städtischen Sportstätten gepflegt werden. Nicht zu vergessen die 300.000 Euro für die Bäder und noch eine Reihe weiterer Positionen, so dass sich die Sportförderung auf knapp drei Millionen Euro summiert. Und dann kommen noch die Investitionen im Finanzhaushalt dazu.

Gut angelegtes Geld, von dem alle profitieren. Auch und gerade die Vereine, die mit ihrem ehrenamtlichen Engagement dafür sorgen, dass Menschen zusammenkommen, um Sport zu treiben, dass Kinder Bewegungsmöglichkeiten haben, dass Integration und Inklusion gerade auch über den Sport hergestellt werden. Mabison noch als Stichwort, wie wir uns den weiteren Weg vorstellen.

Wir führen seit einiger Zeit die Debatte um die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum. Das sind manchmal schwierige Debatten, weil natürlich jedes neue Gebäude, jede auch noch so behutsame Nachverdichtung Veränderungen mit sich bringt. Dem stellen wir uns und wir tun was. Die rot-grüne Koalition hat das Wohnsbauförderungsdarlehen aufgelegt, mit dem der soziale Wohnungsbau in der Stadt vorankommt. Das geht unvermindert weiter und das führt dazu, dass im bezahlbaren Bereich neue Wohnungen entstehen können. Wir fördern weiter die Barrierefreiheit. Auch das alles gut angelegtes Geld.

Doch jetzt gehen wir einen Schritt weiter. Weil nicht nur im Neubau geholfen werden muss, dass die Menschen ihre Mieten bezahlen können. Wir wollen jährlich 850.000 Euro für einen so genannten Klimabonus zur Verfügung stellen. Und bevor jemand hergeht, und das als rot-grüne Ideologie charakterisiert, sollte man lieber mal betonen, wem das zu Gute kommt.

Mit diesem Klimabonus wollen und werden wir die energetische Sanierung fördern. Klimaschutz ist dabei eine Aspekt. Vor allem aber, und das ist für uns als Sozialdemokraten mindestens genauso wichtig, erreichen wir dadurch, dass sich bei energetischen Sanierungen die Umlage der Investitionskosten auf die Mieten verringert – und davon haben auch die Menschen in ihrem Geldbeutel etwas.

Wir haben hier im Parlament auf Initiative von rot-grün den „sozialen Klimaschutz“ beschlossen. Und zwar einstimmig. Das war schon 2011. Damit haben wir eine klare Zielvorstellung formuliert, wo wir Verantwortung als Stadt wahrnehmen wollen. Die Menschen haben ein Recht darauf, dass diesen Beschlüssen auch Taten folgen – wir tun das mit diesem Haushalt.

Sie haben sich mit der Stadthalle noch nicht abgefunden. Das sieht man daran, dass sie in der Kulturförderung nicht nachvollziehen wollen, dass die Verbesserung der Möglichkeiten für so ganz unterschiedliche kulturelle Veranstaltungen, die in der Stadthalle stattfinden sollen, bei Ihnen auf der Streichungsliste steht.

Ich habe immer betont – wie andere in der Koalition auch – dass der Umbau der Stadthalle Teil einer großen innerstädtischen Entwicklung ist, die den Raum von der Elisabethkirche bis zum Blochmann-Platz neu gestaltet, bessere und attraktivere Nutzungen möglich macht. Die Universität baut das Museum um, gleich nebenan. Der Campus Firmanei entsteht, die neue UB wird prägend sein – nicht nur architektonisch, sondern auch für das Leben, das sich in dem Bereich entwickeln wird. Das ist die Vision, wie sie unser Oberbürgermeister und die rot-grüne Koalition seit Jahren verfolgen.

Dass man den neuen Platz am Erwin-Piscator-Haus unserer Meinung nach am Besten „Platz der Kulturen“ nennen sollte, weil hier Menschen in der Stadt zusammenkommen, die jeweils ihre Kultur leben können – und zwar im weiten Sinn eines Kulturbegriffs: kulturelle Prägungen der Biographie, der Migration, der Heimat genauso wie Ausdrucksformen von Kultur: Theater, Subkultur, Musik, gleich ob ernst, klassisch, modern.

Dieser Stadtumbau wird in absehbarer Zeit abgeschlossen sein. Wir haben die Ressourcen mobilisiert, unseren Teil als Stadt dazuzutun. Die Universität, das Land, tut ihren Teil dazu. Es entsteht ein neuer Raum. Raum heißt Begegnung. Heißt Austausch. Denken wir nach vorne, dann freue ich mich darauf, dass wir die Grundlagen gelegt haben, dass die SPD und ihr künftiger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies eine Idee, eine Vision davon haben, wie die Potenziale solcher Räume genutzt werden können. Nicht Hot-Spots, sondern flächendeckendes W-LAN, damit alle an de Wissensgesellschaft teilhaben können. Austausch zwischen Universität und Stadtgesellschaft, Entwicklung neuer Ideen – das sind unsere Ziele, und dafür legen wir auch mit diesem Haushalt die Grundlagen.

Und nur nebenbei bemerkt sind die 50.000 Euro für die Begleitung der Schlossentwicklung genau deshalb so wichtig, weil sie deutlich machen, dass wir bereit sind, auch die nächsten Schritte zu gehen, nämlich umzusetzen, gemeinsam mit dem Land und der Universität, was in der Potenzialstudie zum Schlossareal angelegt ist. Es wird immer kritisiert, die Stadt gebe zu viel Geld für Studien aus. Ich sehe das anders: Wir arbeiten das ab und entwickeln die Stadt weiter, mit Sachverstand, für die Bürgerinnen und Bürger, die genau die Lebensqualität wertschätzen, die entstanden ist und die wir mit diesen Maßnahmen weiter fördern.

Und es ist nicht vermessen: Dass Teilhabe der Menschen möglich ist, dass soziale Unterschiede, die wir nicht beseitigen können, nicht dazu führen, am Rand der Gesellschaft stehen bleiben zu müssen – das ist der Boden, den die rot-grüne Koalition bereitet hat, auf dem Solidarität und Respekt der Menschen gedeihen, so dass Tausende gegen rechte Bauernfänger auf die Straße gehen, weil sie wissen: Die würden all das zunichte machen, was über Jahre aufgebaut worden ist. Deshalb wehren wir uns weiterhin gegen menschenverachtende Ideologie, die in unserer Stadt keinen Platz haben darf.

Wir machen das, weil wir Verantwortung übernehmen. Weil wir eine Vorstellung davon haben, wo wir in fünf, in zehn, in fünfzehn Jahren stehen wollen.

Wir machen das auch im Vertrauen auf eine gute weitere Haushaltsentwicklung. Gestern gab es Aufregung darüber, dass der Fehlbetrag im Ergebnishaushalt 2015 um rund 10 Millionen Euro verringert wird. Ich sage: Ja, das entlastet und in 2015.

Es zeigt aber vor allem eines: Wir haben eine finanzielle Basis und eine Basis am Wirtschaftsstandort Marburg, die es uns ermöglicht, die Ressourcen zu mobilisieren, die wir brauchen, um mit unserer Politik die Stärken der Stadt voranzubringen. Schon um ursprünglichen Plan weist der Ergebnishaushalt 2016 wieder ein deutliches Plus aus. Wir waren in der Lage, die negativen Auswirkungen einer ungerechten Politik gegenüber den Kommunen, wie sie durch das Land Hessen verantwortet wird, aufzufangen. Wir konnten das Defizit des Jahres 2015 aus der Rücklage decken. Dass wir dies nun in weit geringerem Umfang in Anspruch nehmen müssen, ist mehr als erfreulich. Dass auch Marburg gezwungen ist, durch die Folgen des KFA und der ungerechten Finanzierung von Aufgaben, die den Kommunen zugewiesen werden, Steuern zu erhöhen, ist unumgänglich. Auch wir wünschen uns eine Vermögenssteuer und die stärkere Besteuerung großer Einkommen, auch wir wünschen uns ein echtes Konnexitätsprinzip, auch wir wünschen uns, dass Geld, das der Bund über die Länder den Kommunen zur Verfügung stellen will, auch wirklich dort ankommt.

Der Haushalt zeigt, dass wir auch die kommenden Jahre handlungsfähig sind. Und dass die rot-grüne Koalition den Gestaltungsauftrag, den wir mit der letzten Wahl erhalten haben, weiterhin ernst nimmt und alle Möglichkeiten mobilisiert, sozial gerecht und in Verantwortung gegenüber unseren Nachkommen in der Stadt alles zu tun, was gut ist für die Menschen, die hier leben, arbeiten, studieren oder uns besuchen.

Beteiligen Sie sich daran und stimmen Sie dem Haushaltsentwurf, den Änderungen des Magistrats und der rot-grünen Koalition zu und zeigen Sie damit, dass sie nicht im Abseits stehen und nach hinten schauen, sondern mit nach vorne gehen.